Von vorn: Anfang des Jahres hatten sich ja schon viele erfolgreich an dem neuen schicken Herrenschnitt namens Newcastle Cardigan von Thread Theory versucht, u.a. sind hier bei Wiebke, da bei Monika, dort bei Yvonne und drüben bei Tina herrliche Exemplare rausgekommen.
Ich konnte mir diese Jacke super an meinem Gatten vorstellen und dachte mir: das ist doch ein tolles Geschenk zu seinem Geburtstag Ende Januar.
Begonnen habe ich eigentlich rechtzeitig, aber dies hier war mein erster Online-Schnitt und mein erster Schnitt inkl. Nahtzugabe. Manchmal starrte ich die ausgedruckten Blätter so begriffsstutzig an wie der erste Mensch. Und alles sollte heimlich geschehen, d.h. nur wenn er weg war und dann möglichst schnell. Den Schnitt bastelte ich also irgendwie zusammen.
Ich wollte die Jacke aus Webstoff nähen und überlegte hin und her, aus welchem. Zuerst bestellte ich einen dunkelbraunen Walk, der mir im Nachhinein aber zu dick erschien, und gnädigerweise konnte ich die Bestellung stornieren.
Dann stattete ich meinem Stoffhändler um die Ecke einen Besuch ab und fand einen wunderschönen Wollstoff: Fischgrat in Senffarbe (oder intensives Ocker) und Schokoladen-Dunkelbraun, mit einer Art Bouclé-Struktur, also nicht glatt gewebt sondern mit schöner strukturierter (wenn auch unregelmässig) Oberfläche. Ich tippe auf reine Wolle oder ein hochwertiges Wollgemisch - der Stoffhändler kauft immer Kollektionsmaterial günstig auf und hat dementsprechend vernünftige Preise, aber oft fehlen die genauen Angaben zur Zusammensetzung des Stoffs.
Gut, ich kaufte also diesen relativ dicken Wollstoff und bestellte dazu dunkelbraunen Breitcord.
Normalerweise trägt mein Mann Gr. L, aber da dies ein Schnitt für Jersey ist, war ich schlau und schnitt Gr. XL aus. Leider reichte das immernoch nicht, aber das sollte ich erst später erfahren.
Zum Geburtstag fertig zu werden, davon hatte ich mich sowieso schon verabschiedet.
Ich schenkte also den ausgeschnittenen Papierschnitt her - sah ganz ganz toll aus, wie ihr euch vorstellen könnt.
Dann irgendwann begann ich, schloss die Nähte, steppte sie ab und nähte gleich mal den Kragen falsch an: NIEMALS abends müde etwas zuende bringen wollen!
Nach einem ersten Wutanfall legte ich das Ding erstmal beiseite um mich zu beruhigen und machte mich an mein Tageskleid, zur allgemeinen Entspannung.
Damit fertig, setzte ich mich irgendwann wieder mit meinem Nahttrenner hin und fing das lustige Auftrennen an. Dieser Stoff ist mit Abstand der fransigste, den ich jemals verarbeitet habe, hier kommt das nur halb rüber.
Den Kragen setzte ich also neu und halbwegs richtig an. Er endete zwar in der Mitte der Knopfleiste, aber die liebe Wiebke, die mir die ganze Zeit mit Rat und Tat zur Seite stand, meinte, das wäre häufig so.
Dann ging´s weiter: Futterschnitt erstellen, denn ursprünglich ist da keins vorgesehen.
Normalerweise ziehe ich vom Schnitt für den Oberstoff einfach die Belegschnittmuster ab und fertig. Aber hier mit der integrierten Nahtzugabe.... ich bekam fast einen Knoten im Hirn.
Irgendwie friemelte ich also das Futter zusammen und setzte es ein. Ich merkte dabei schon, dass die Saumweite des Futters geringer war als die des Oberstoffs, dachte aber, ich könnte das irgendwie hinschummeln.
Keine Ahnung, warum ich die Jacke erst jetzt anprobieren ließ, also NACH dem Zusammennähen, Absteppen und Füttern. Ich sag ja, wie der erste Mensch.
Ich ließ also siegessicher die Jacke anprobieren und stellte fest, dass wohl 8cm "Umfang" fehlten. Man hätte die Jacke so anziehen können aber nie im Leben schließen können. Ich wußte noch nicht so recht, woran das liegen könnte, aber nach dem Herausnehmen des Futters merkte ich, dass es größtenteils am zu kleinen Futter lag und auch ein wenig an der Jacke. Ich muss mich beim Futterschnitt mit den Nahtzugaben, Belegen und Knopfleisten irgendwie verrechnet haben.
Das war der Moment, wo ich dachte, ich gebe auf. Wäre es nicht das versprochene Geburtstagsgeschenk gewesen und hätte sich mein armer ewig hingehaltener Schatz nicht so sehr darauf gefreut, ich hätte auch aufgegeben und das Ding aus dem Fenster geworfen.
Also: Futter, Absteppungen, Seitennähte, Knopfleistennähte und Belegnähte aufgetrennt. Dann holte ich beim erneuten Zusammennähen ca. 4cm raus, damit passte die Jacke an sich. Leider verschob sich der Kragenbeginn noch mehr zur Mitte hin, und er ist nicht mehr ganz in der Mitte der Knopfleiste. Aber das war mein geringstes Problem.
Ich trennte die Seitennähte des Futters auf und holte nochmal einen guten cm aus den NZ raus.
Dann schnitt ich es in der Mitte des Rückenteils auf und setzte eine Monster-Bewegungsfalte von ca. 6 cm Breite ein! Oben passte das Futter ja, nur am Saum nicht.
Schick, gell? |
Knöpfe angenäht und endlich, mit einem Monat Verspätung hergeschenkt. Mein Schatz ist glücklich, und nachdem er das ganze Drama mitbekommen hat, weiß er das Geschenk auch zu schätzen!
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Ok, ich könnte nochmal drüberbügeln... |
An dieser Stelle nochmal vielen lieben Dank an Wiebke und auch Monika, die mir hilfreich zur Seite gestanden sind!
Und für alle, die Newcastle Cardigan aus Webstoff nähen wollen: mindestens eine Größe größer wählen und zwischenprobieren. Außerdem sollte der Stoff nicht so dick sein wie meiner. Am Kragen und Knopfleisten-Kragen-Treffpunkt ist das alles recht dick und steif geworden...
Da heute von Monika auch noch zufällig der FrühlingsHerrMann ausgerufen wurde, verlinke ich mich dort gleich.
Erschöpft aber glücklich,
Nastjusha